Freiheit braucht Verantwortung – Leitlinien einer liberalen Nachhaltigkeitspolitik
Beschluss des 49. Landesparteitag am 03.11.2018 in Neukieritzsch
Im stetigen Bewusstsein der politischen Herausforderungen der Zukunft fordern die Freien Demokraten einen zeitgemäßen und marktwirtschaftlichen Paradigmenwechsel in der Bewältigung des Klimawandels und anderer ökologischer Fehlentwicklungen. Dabei setzen wir verstärkt auf Freiheit statt Bevormundung, Technologieoffenheit statt -vorgabe und eine Stärkung der individuellen Grundverantwortung jedes Einzelnen. Konkret schlagen die Freien Demokraten daher eine politische Umsetzung folgenden Maßnahmenkatalogs vor:
I. Mehr Markt, weniger Klimanationalismus – Internationale Kooperation stärken
Die FDP bekennt sich ausdrücklich zu einem nachhaltig lebenswerten Planeten und zu den Pariser Klimazielen.
Zur Erreichung dieser Ziele vertrauen wir in erster Linie auf die Steuerungskraft des Marktes. Im Bereich der Energiepolitik wollen wir daher das Europäische Emissionshandelssystem (EU ETS) sektorübergreifend ausbauen. Dieser soll zukünftig alle emissionsintensiven Branchen und alle bekannten Treibhausgase umfassen. Dies betrifft ausdrücklich auch den Verkehr zu Land, Wasser und in der Luft sowie die Landwirtschaft und deren Methanemissionen.
Zur Sicherstellung wirksamer CO2-Resorptionsflächen ist langfristig eine internationale völkerrechtliche Verständigung auf ein globales Forstziel nach dem Vorbild der deutschen 2% Wildnis-Initiative anzustreben. Deutschland soll hierbei mit gutem Beispiel vorangehen und darf sich einer Debatte zum Aufkauf zu schützender und/oder rückaufzuforstender Regenwaldflächen nicht verweigern.
II. Fehlanreize abbauen, Energiemarkt nachhaltig ausgestalten
Um die Marktmechanik des nachweislich erfolgreichen Zertifikatehandels weiter zu stärken, setzt sich die FDP sowohl für eine umfassende Senkung der Stromsteuer als auch für einen vollständigen Abbau aller strommarktverzerrender Subventionen bspw. für energieintensive Industrien ein.
Ein gemeinsamer europäischer Energiemarkt wird angestrebt. Einseitige nationale Alleingänge wie die viel diskutierte CO2-Steuer lehnen wir ab.
Die durch das Erneuerbare Energiengesetz (EEG) regulierte EEG-Umlage ist als marktverzerrendes Instrument umgehend abzuschaffen.
III. Internationalen Agrarmarkt entfesseln, staatliche Falschentwicklung korrigieren
Im Sinne einer gestärkten lokalen und emissionsarmen Lebensmittelproduktion sowie eines entzerrten, fairen und freien gemeinsamen Agrarmarktes sind alle derzeit existierenden europäischen und nationalen Agrarsubventionen nach neuseeländischem Vorbild im Laufe von zwei Jahrzehnten vollständig abzuschaffen und stattdessen einen signifikanten Teil der eingesparten Summe, in diesem Zeitraum, in die Forschung von, unter anderem, Stammzellfleisch als Alternative zu investieren und die Verringerung des Methanausstoßes zusätzlich zu beschleunigen.
Den Einsatz gentechnologischer Verfahren wie CRISPR/Cas bei der Erforschung und Entwicklung von düngungs- und pestizideffizienten GM-Pflanzen betrachten wir als einen der zentralen Schlüssel zu einer gleichsam sichereren wie weniger umweltbelastenden Agrarwirtschaft und stehen ihrer weiteren Felderprobung daher sehr aufgeschlossen gegenüber.
IV. Forschung und Wissenschaft stärken, technologieoffenen Wettbewerb beflügeln
Eine besondere Rolle zur nachhaltigen Ausgestaltung des Energiemarktes wird der Entwicklung dezentraler Energieversorgungsmethoden und sog. Power-to-X-Verfahren zukommen. Die Forschung hierzu soll daher besser ausfinanziert werden. Hierzu zählt auch die technologieoffene Erforschung emissionsarmer Mobilitätsmöglichkeiten bspw. durch Wasserstoff- oder Methanverbrennung.
Technologien zur Filterung von Rauchgasen, die bei der Verbrennung fossiler Brennstoffe anfallen, sind voranzutreiben; solchen der atmosphärischen wie nicht-atmosphärischen CO2-Speicherung, -resorption und -abbau etwa durch Carbon-Capture-Systeme (CCS) stehen wir unterstützend gegenüber. Die politisch gewollte Bevorzugung bestimmter Technologiearten lehnen wir ab.
Hysterische Denk- oder Einsatzverbote bei der Erprobung, Realisierung und Modernisierung von AKW lehnen wir in Hinblick auf die hervorragende Emissionsbilanz dabei ebenso ab wie das derzeitige Verbot der Wiederaufbereitung atomaren Mülls.
V. Regionale Verantwortung stärken – für ein nachhaltiges Sachsen
Im Kontext der regionalen Verankerung einer nachhaltigkeitsorientierten Politik kommt den Kommunen eine tragende Schlüsselrolle zu.
Insbesondere Städte tragen hierbei eine große emissionspolitische Verantwortung. Kommunale und sächsische Initiativen zur Ausweitung von Dachbegrünung und Urban-Gardening-/Kleingartenflächenstrukturen begrüßen wir daher ausdrücklich. Im Kontext des ländlichen Raumes befürworten wir lokale Selbstverpflichtungen zur flächenanteiligen Vorhaltung von Wildwiesen.
Den Freistaat Sachsen halten wir zu einer Sicherstellung ökologischer Lehrinhalte im Programm des Sachkunde- und Schulgartenunterrichts zur kindlichen Sensibilisierung für ein nachhaltiges Denken und Handeln an.
Dabei soll ein gewisser Anteil an insekten- und hierbei insbesondere bienenfreundlichen Blühpflanzen sowie Wildwiesen innerhalb der Schulgärten sichergestellt und in Form von Lehrbiotopen nutzbringend didaktisch verwendet werden.
Die weitere Erforschung und Anwendung von insektenfreundlichen und weniger lichtverschmutzenden Nachtbeleuchtungsvorrichtungen wie bspw. Laternen erachten wir als förderungswürdige technologische Innovation.
Marode Flächenfeldversiegelungen, etwa durch Brachstraßen, die eine vollständige Renaturierung von Landschaftsflächen in aussterbenden Schrumpfungsgebieten verunmöglichen, sollen durch Rückbauvorhaben sukzessive abgebaut werden.
Sächsische Gewässerpflege soll künftig verstärkt mit Augenmaß und Hand in Hand mit den Kommunen durchgeführt werden. Die Herstellung oder Beibehaltung der Durchlässigkeit für Wanderfische muss dabei eine Priorität sein. Weiterhin ist die Wasserqualität langfristig weiter zu verbessern. Hierbei sollen insbesondere Angelvereine als Kooperationspartner fungieren und entsprechend mit Expertise zur Seite stehen.
Wir Freie Demokraten erkennen die Bedeutung von Biodiversität und des damit einhergehenden strategischen Erhalts von natürlichen Lebensräumen an. Wir fordern vor diesem Hintergrund ein kluges Artenerhaltungsmanagement im ländlichen Raum, insbesondere im Kontext der Landwirtschaft. Hierbei setzen wir in erster Linie auf Aufklärung und Eigeninitiative, wissen jedoch auch um die Notwendigkeit punktueller politischer Korrekturen in gebietsbezogenen Interessenskonflikten. Maßnahmen hierfür sind unter breitem Einbezug der Öffentlichkeit, etwa von Bürgerinitiativen, Unternehmen und Vereinen in jedem Einzelfall abzuwägen und laufend zu evaluieren.
Die natürliche Wiederansiedlung von ehemals heimischen Raubtieren wie der deutschwestpolnischen Wolfspopulation begrüßen wir als Beitrag zur Artenvielfalt, erkennen aber auch den dringenden Reformbedarf zum Schutz von Bevölkerung und heimischer Weidewirtschaft, um ein konfliktarmes Nebeneinander zu ermöglichen. Hierfür fordern wir Freien Demokraten eine bundeseinheitliche Lockerung des rigiden Wolfsschutzes zugunsten eines dreigliedrigen Wolfsmanagements, das in sog. „Schutzareale“ in natürlichen Habitaten, bestandskontrollierende aber prinzipiell tolerierte „Managementareale“ in Übergangsbereichen und besiedelte bzw. weidewirtschaftlich genutzte „Problemareale“, in denen das Vorhandensein von Wölfen nicht toleriert wird, unterteilt. Für eine präzise Untersuchung dieser Gebiete sowie einen effektiven Interessenausgleich zwischen Naturschutz und Tierhaltung soll ein jährlicher Bericht über den Ist-Stand der hiesigen Wolfspopulationen erstellt und die Kooperation mit den Nachbarländern Tschechien und Polen verstärkt werden. Bioinvasive Schädlinge wie der Waschbär oder Mink sind im Landesjagdrecht zum Abschuss freizugeben. Die Wiederherstellung von Feldrainen als artenreiche Biotope begrüßen und empfehlen wir.
VI. Verbote verbieten – Für eine nachhaltige Richtlinienpolitik mit Augenmaß
Im Bereich der Umweltpolitik vertreten wir die Vision einer liberalen Marktwirtschaft, die Anreize für einen schonenden Umgang mit natürlichen Ressourcen setzt. Pauschale Restriktionen und Verbote treten dabei in den Hintergrund und sind nur bei äußerster Gefährdung der medizinischen oder ökologischen Sicherheit zu erwägen. Ein pauschales EU-weites Verbot etwa von Plastikeinwegbesteck wie Trinkhalmen lehnen wir dabei zugunsten einer besseren materialwirtschaftlichen Aufarbeitung ab.
Hierfür sind die bewährten Verfahren der Mülltrennung beizubehalten und umfassend auszugestalten. Durch gezielte Wieder- oder Anschlussverwendung von Wertstoffen können Grenzen der Rohstoffverfügbarkeit verschoben werden.
Überdies stellen wir uns gegen das Verbot, den Fahrzeugmotor im Winter im Stand laufen zu lassen und möchten die damit verbundene Ordnungswidrigkeit samt Bußgeld abschaffen.