Nachhaltigkeit hat sächsische Wurzeln – Klimaschutz, Kohleausstieg und Strukturwandel innovativ gestalten

Aus Positionen der FDP Sachsen
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Beschluss des 54. Landesparteitages der FDP Sachsen, Döbeln, 7. Mai 2022

Wir Freien Demokraten setzen uns für Generationengerechtigkeit ein, weil unsere Kinder und Kindeskinder mindestens ebenso frei und selbstbestimmt ihr Leben führen sollen, wie wir es gerade gewohnt sind. Das verpflichtet uns, unsere Politik konsequent nach den Prinzipien der Nachhaltigkeit auszurichten. Die Ressourcen unserer Erde sind endlich, um so rücksichtsvoller müssen wir damit umgehen. Für die Sicherung von persönlicher Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit ist der Erhalt von Wohlstand und die Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse unverzichtbar!

Es kann für uns als sächsische Liberale auch kaum Zufall sein, dass ausgerechnet in Sachsen schon vor über 300 Jahren das Prinzip der Nachhaltigkeit formuliert wurde. Damals wurde dem Oberberghauptmann Hans Carl von Carlowitz bewusst, wie knapp der Rohstoff Holz ist . Holz wurde in allen Lebensbereichen gebraucht - vom Heizen über den Häuserbau bis zum Bergbau. Carlowitz erkannte, dass Rodungen zwar kurzfristig den Bedarf an Holz deckten, langfristig musste es aber auch noch genügend Bäume für die zukünftige Nutzung geben. Er forderte, nur so viel Wald zu schlagen, wie Bäume wieder nachwachsen konnten und setzte sich für konsequentes Aufforsten ein. So wollte er eine „continuirliche beständige und nachhaltende Nutzung“ des Waldes gewährleisten.

Greifen wir die Idee Carlowitz’ auf, verstehen wir das Prinzip der Nachhaltigkeit im Sinne des Erhalts unserer Lebensgrundlagen und der Sicherung gleicher Entwicklungschancen. Auf diese Weise muss für uns sächsische Liberale Nachhaltigkeit ein Querschnittsthema aller Bereiche der Politik sein. Wir müsseneinerseits Rahmenbedingungen setzen, mit denen nach den Mechanismen der Marktwirtschaft unsere Lebensbereiche nachhaltig, ökologisch und damit sozial und gleichwertig weiterentwickelt werden können. Andererseits müssen wir Bildung als wichtigste Grundlage für eine nachhaltige Politik verstehen. Nur über Forschung und Entwicklung finden sich innovative und ressourcenschonende Lösungen für praktische Probleme.

Der Freistaat Sachsen hat im Jahr 2018 seine Nachhaltigkeitsstrategie zwar fortgeschrieben, seitdem scheint sie aber als untergeordnetes Ziel im Sächsischen Staatsministerium für Energie, Klimaschutz, Umwelt und Landwirtschaft (SMEKUL) dahin zu dümpeln. Es ist falsch, einzelne Aspekte daraus – wie die Erneuerbaren Energien und den Klimaschutz – gewissermaßenzum Leitbild und zum Schwerpunkt einer scheinbar „ökologischen“ Politik zu erklären. Vielmehr müssen die verschiedenen Lebens- und Themenbereiche miteinander verwoben werden, ihre Zusammenhänge erkannt und daraus wirtschaftlich ausgewogene wie praktisch umsetzbare Entwicklungen abgeleitet werden. Gerade die Landwirtschaft mit Ackerbau und Viehhaltung hat über tausende von Jahren bewiesen, dass Nachhaltigkeit die Grundlage ihrer Beständigkeit ist. Aus diesem Grund fordern wir, alle 17 Ziele der Nachhaltigkeitsstrategie Sachsens - damit der Vereinten Nationen - zur „Chefsache“ in Sachsen zu machen. Wir brauchen ein integriertes Entwicklungskonzept nachhaltiger sächsischer Politik, das gemeinsam mit den Kommunen entwickelt und umgesetzt wird.

1. Förderung einer „Nachhaltigen Landwirtschaft“

Das Grundverständnis einer guten fachlichen Praxis in der Land- und Forstwirtschaft ist Nachhaltigkeit. Grundlage für Nachhaltigkeit ist Verlässlichkeit. Die sächsischen Land- und Forstwirte müssen sich auf die Vorgaben von Land, Bund und der EU immer verlassen und langfristig planen können. Ständig wechselnde Gesetze, Verordnungen und Vorgaben verhindern eine nachhaltige Bewirtschaftung des sächsischen Bodens und sind praxisfremd.

Wir sächsischen Freien Demokraten setzen uns für die Einbeziehung der Praktiker in eine Landwirtschaftspolitik aus einem Guss ein. Vor allem muss der Berufsstand in seiner Gesamtheit zu allen Verordnungsentwürfen des SMEKUL bei anstehenden Agrarumwelt- und Klimaschutzmaßnahmen (AUKM) angehört und seine Vorschläge berücksichtigt werden. Die Auseinandersetzung zwischen Politik und Praxis muss zuallererst fachlich orientiert sein. Die Grundlagen vernünftiger agrarwissenschaftlicher Produktionsmethoden dürfen nicht aus Gründen „moralisch-ideologischer Idealvorstellungen“ von Bio-Landwirtschaft verdammt werden.

Die Herausforderung besteht darin, eine EU-weite Selbstversorgung mit Lebensmitteln zu erreichen und einen Beitrag zur Welternährung zu leisten. Die aktuelle Krise zeigt uns deutlich auf, welche Schwierigkeiten durch Abhängigkeiten von Importen entstehen. Der Krieg in der Ukraine macht deutlich, wie wichtig Ernährungssicherheit weltweit ist. Kurzfristig gibt es wenig Spielraum und für notwendige langfristige Maßnahmen braucht es vorausschauende Entscheidungen.

Aber gerade weil die Lebensmittelerzeugung und zugleich der Anbau nachwachsender Rohstoffe von enormer Wichtigkeit sind, müssen wir eine hohe Produktivität auf den landwirtschaftlichen Flächen erhalten. Kompromisse zwischen politischen Zielen und praktischen Möglichkeiten, also zwischen Politik und Landwirtschaft, müssen gemeinsam gefunden werden. Diese bewährte Praxis ist nachhaltiger als jede angeordnete Theorie.

Der Einsatz digitaler Technologien in der Landwirtschaft wird maßgeblich dazu beitragen, Ressourcen zu schützen. Mittels Precision Farming können Teilflächenexakt nach den Bedürfnissen der Pflanzen bearbeitet werden. Es wird nur so viel Dünger oder Pflanzenschutzmittel eingesetzt wie benötigt wird. Dieser wird ganz gezielt und punktgenau für die Pflanzen eingebracht. Damit wird die Umwelt geschont und die Ziele zur Verringerung von Stickstoff erreicht. Auch in der Tierproduktion gibt es mit Blick auf das Tierwohl entsprechende Anwendungsbereiche des Precision Lifestock. Die Automatisierung der Arbeit von Traktoren und Geräten sowie die Digitalisierung der Abläufe in den Büros gehören ebenso dazu. Auf diese Weise ist „konventionelle Landwirtschaft“ nachhaltig, ohne an Produktivität zu verlieren. Damit sich auch kleinere landwirtschaftliche Betriebe auf den Weg hin zu einer digitalen und automatisierten ökologischen Landwirtschaft machen, um aus eigenem Antrieb heraus die natürlichen Grundlagen ihres Betriebes zu erhalten, benötigen sie dafür die nötigen finanziellen Mittel. Wir Freien Demokraten wollen deshalb auf wirtschaftliche Preise für die Produzenten achten und für eine - insbesondere mit Blick auf das Ausland - wettbewerbsfähige sächsische Landwirtschaft sorgen.

Um diese Ziele zu erreichen, muss die Politik auch Forschung und Entwicklung fördern, vor allem aber praxisnäher ausrichten. Insbesondere Pflanzenzüchtungen mit modernen Züchtungsmethoden müssen zugelassen werden. Wir sehen in neuen, resistenteren Züchtungen einen wichtigen Ansatz, um den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln effektiv zu minimieren.Wir setzen uns dafür ein, dass angewandte Forschung im Agrarbereich in intensiver Kooperation mit Praxispartnern betrieben wird und der Transfer der Forschungsergebnisse einen stärkeren Schwerpunkt in den Förderbedingungen bildet. Damit soll gewährleistet werden, dass die Ergebnisse der anwendenden Agrarwirtschaft nach Beendigung der Projekte zur Verfügung stehen und aus ihnen neue Produktionsansätze entwickelt werden.

Wir Freie Demokraten wollen mehr Aufforstungen und den Schutz bestehender Wälder. Überall müssen wir wertvolle Waldökosysteme und Moore erhalten, dennWälder und Moore sind Hüter von Biodiversität und wirksame Kohlenstoffspeicher. In dem Zuge wollen wir Freie Demokraten auch eine kluge Flächenpolitik. Jedes Jahr werden wertvolle Flächen für Infrastrukturprojekte, aber mehr und mehr auch für Erneuerbare Energien genutzt. Die Flächenkonkurrenz nimmt zu und wird durch finanzielle Anreize noch verstärkt.

Wir Freien Demokraten fordern die Landesregierung im Freistaat Sachsen dazu auf, Photovoltaikanlagen auf landwirtschaftlichen Flächen zu steuern. Statt Flächenverlust für die Landwirtschaft sollen vorrangig Agri-Photovoltaikanlagen aufgebaut werden. Der Freistaat muss mittels Flächenkataster die Flächenkonkurrenz auf landwirtschaftlichen Flächen im Landesentwicklungsplan austarieren. Der Schutz von Gunstflächen für die Landwirtschaft und die Produktion nachwachsender Rohstoffe ist wichtig. Demgegenüber sollen Photovoltaik-Anlagen schwerpunktmäßig auf bereits versiegelte Flächen wie zum Beispiel Hallendächern von Industriebetrieben, Überdachungen von Parkplätzen oder auch Solarbrücken über Autobahnen entstehen.

Auch Windkraft ist mit Blick auf die Forstwirtschaft sensibel zu steuern. Die FDP Sachsen spricht sich nicht grundsätzlich gegen Windkraft im Wald aus. Im Sinne einer nachhaltigen Waldbewirtschaftung sowie eines nachhaltigen Klima- und Naturschutzes dürfen Windkraftanlagen nicht in Naturschutzgebieten, Naturparks, Biosphärenreservaten, FFH-Gebieten und Vogelschutzgebieten errichtet werden. Unter Einbeziehung der Waldeigentümer können wir uns aber Windkraftanlagen in Kalamitätsgebieten der Wirtschaftswälder vorstellen. Gleichzeitig setzen wir uns für eine Ausweitung der sächsischen Waldgebiete auf 33 Prozent ein. Laub- und Mischwälder sind robust, widerstandsfähiger und weniger anfällig für Schädlinge. Die umfangreiche Ausweitung von nutzungsfreien Waldflächen und Wildnisgebiete, wie sie das Sächsische Staatsministerium für Energie, Klimaschutz, Umwelt und Landwirtschaft oftmals gegen deutliche Einwände der Anrainer vorantreibt, lehnen wir ab. Wichtig ist für die Freien Demokraten, dass auch in Wildnis-Flächen, wie beispielsweise dem Nationalpark Sächsische Schweiz, weiterhin eine touristische Nutzung möglich ist und dafür Wege für Wanderer, aber insbesondere auch für Rettungsfahrzeuge passierbar bleiben müssen.

Zur Sicherung der Ernährung der Bevölkerung mit Lebensmitteln gehört auch ein nachhaltiger Umgang mit unverbrauchten Lebensmitteln und Bioabfällen. Die Kreislaufwirtschaft, die traditionell in der Land- und Forstwirtschaft eine wichtige Rolle spielt, ist auch mit Blick auf die Verwertung der Bioabfälle oder nicht verbrauchbaren Erzeugnissen der Land- und Forstwirtschaft der Schlüssel zu einem nachhaltigen Umgang mit Rohstoffen. Das Entsorgen von Lebensmitteln müssen wir auf ein Minimum reduzieren. Wir Freie Demokraten wollen Unternehmen und lebensmittelerzeugendes Handwerk deshalb befähigen, überschüssige und noch verbrauchbare Lebensmittel kostenlos an Bedürftige oder soziale Einrichtungen abzugeben. Das deutsche Steuerrecht muss dahingehend geändert werden und entgangene Umsatzsteuern erlassen werden. Auch alle anderen bürokratischen Hürden sind abzubauen, wie z.B. bei der Nutzung von Lebensmittelabfällen für Tierfutter. Bioabfälle und unverbrauchbare Erzeugnisse sollen zudem auch als Grundstoff in der chemischen Industrie Verwendung finden oder alternativ als Basis für biologische Kraftstoffe eingesetzt werden können. In dem Fall ist die Erzeugung von Biogas der reinen Kompostierung vorzuziehen.

2. Sicherung einer „Bezahlbaren und Sauberen Energie“

Der Klimawandel macht eine nachhaltige Verringerung der Treibhausgase und insbesondere der CO2-Emissionen erforderlich. Wir Freie Demokraten vertrauen bei der Findung von nachhaltigen Lösungen für „saubere Energie“ auf Ökobilanzen und ganzheitliche Betrachtungsweisen. Ökologie und Ökonomie sind keine Gegensätze, sondern führen mittels Anpassungsmechanismen und Vermeidungsstrategien zu mehr Energieeffizienz, Energieeinsparung und einem Mix an Energieträgern. Liberale Energiepolitik will die wirtschaftlich wie gesellschaftlich benötigte Versorgungssicherheit und den für die Zukunft notwendigen Energiewandel mittels strategischer Preispolitik und kreativen Technologien ausbalancieren. Dogmatische Verordnungen, Strafen oder Subventionen - ob für Inlandsflüge, E-Mobilität oder Lastenfahrräder – führen zu keiner nachhaltigen „Energiewende“ und nicht zu langfristigen Verhaltensänderungen. Vielmehr erfordert nachhaltiges Handeln intrinsische Motivation, weshalb wir das Eigeninteresse der Menschen wecken müssen. Unmittelbare Teilhabe, Nutzniessung und Mitsprache der Menschen vor Ort müssen bei der Installation Erneuerbarer Energien in den Kommunen zentrales Anliegen sein.

Aber auch die Kommunen selbst müssen befähigt werden, in ihren Liegenschaften vorausschauend und zielgerichtet energetische Sanierungen oder auch die Umstellung der Heizungs- und Klimatechnik voran zu treiben. Dafür benötigen sie finanzielle Handlungsspielräume. Aktuell gibt es eine schier unüberschaubare Vielzahl an einzelnen Förderprogrammen von Bund und Land, die jeweils einzelne Aspekte von Klimaschutz, Energieeffizienz und Energiewende aufgreifen und bei denen die Kommunen Unterstützung beantragen können. Richtiger und schneller wäre es aber, die Kommunen selbst zu befähigen, in eigener Verantwortung und nach ihrem eigenen Tempo ihren individuellen Weg hin zur Dekarbonisierung zu finden. Wir Freien Demokraten fordern daher, die langwierigen Prozesse über Förderprogramme einzustellen.

Stattdessen sollten die darin gebundenen Mittel in die Finanzausgleichsmasse fließen. Über pauschale, dafür planbare und längerfristig sichere zweckgebundene Mittel sollen die Kommunen befähigt werden, ihre eigene „Energiewende“ zu steuern. Sie werden so von (fremd) Getriebenen der Entwicklung hin zu (eigenständigen) Treibern einer nachhaltigen und vernünftigen Klima- und Energiewende ihrer eigenen Kommune.

Nicht nur Energieträger unterliegen aktuell dem Wandel, sondern auch das Konsumverhalten am Strommarkt erlebt dramatische Änderungen. Privathaushalte sowie Industrieunternehmen verzeichnen einen Anstieg um mindestens 200 TWh bis 2030, da mehr und mehr Prozesse elektrifiziert werden. Zudem führen Elektromobilität, die zukünftige Produktion von grünem Wasserstoff sowie die Nutzung von Wärmepumpen langfristig zu einem deutlich steigenden Strombedarf in Deutschland. Steigender Bedarf bewirkt steigende Preise am Markt, während Einspeisespitzen noch immer zu negativen Strompreisen führen. Wir Freie Demokraten schlagen die Spiegelung des Großhandelspreises in privatem wie industriellem Konsum vor. Damit können Anreize geschaffen werden, um in Zeiten von niedrigen Preisen und erhöhter Einspeisung mehr zu konsumieren, wodurch neben Netzstabilität ein volkswirtschaftlicher Nutzen erzielt wird.

Zudem gilt es vorhandene Energiepotentiale insbesondere für die Industrie intelligent und digital über Demand-Side-Management zu steuern. Unternehmen können so zu Lastspitzen billiger einkaufen, was ebenfalls die Netze stabilisieren wird. Beim Netzausbau erkennen wir die Ziele der Landesregierung als sehr ambitioniert an, sie werden nicht umgesetzt. Sachsen hat nach wie vor eine energieintensive Wirtschaftsstruktur. Es werden aber nur ca. 26% des Stroms aus erneuerbaren Energien gewonnen, während deutschlandweit ca. 41 % aus Erneuerbaren Energien gewonnen worden sind. In dieser Zeit mit neuen Abstandsregeln den Ausbau der Windenergie quasi zum Erliegen zu bringen, istfür uns Freie Demokraten der falsche Ansatz. Pauschale Siedlungsmindestabstände, die über die Regelungen des Bundesimmissionsschutzgesetzes hinausgehen, lehnen wir ab. Dies umfasst explizit auch die Ablehnung der 10H-Regel. Wir Freien Demokraten wollen hier die Kommunen mehr einbinden und vor Ort die Entscheidung treffen. Wo Windenergie akzeptiert ist, soll diese auch möglich sein. Ausgesprochenes Ziel für Sachen sollte sein, bis Ende 2023 mindestens zwei Prozent der Fläche des Freistaates für den Bau von Windkraftanlagen auszuweisen. Zudem fordern wir die Landesregierung auf, ein vereinfachtes Verfahren für das Repowering, also den Ersatz älterer bestehender durch neuere und leistungsstärkere Anlagen, zu entwickeln. Bis 2030 soll sich durch diese Maßnahmen die installierte Gesamtleistung sächsischer Windkraftanlagen verdoppeln.

Mit Blick auf den Kohleausstieg muss gleichzeitig zur Renaturierung von Tagebaufolgelandschaften genau dort der Ausbau der Erneuerbaren Energien erfolgen. Gemischte Solar- und Windparks können so in ausreichender Entfernung zu Wohnbebauung entstehen und zur Energiesicherheit beitragen. Zudem sollte die Errichtung von Großspeichern die Versorgungssicherheit gewährleisten. In dem Zusammenhang fordern wir Freien Demokraten die notwendigen gesetzlichen Rahmenbedingungen dafür zu schaffen und mögliche verhindernde gesetzliche Regelungen für die Tagebaulandschaft aufzuheben. In jedem Fall denken wir, dass es auch aufgrund der ökologischen Auswirkungen einer ausreichenden Menge Speicherkraftwerken für die bestehenden und zukünftigen Erneuerbaren einer gesamtgesellschaftlichen Debatte über den realistisch angestrebten Ausbaugrad von Wind- und Solarenergie und die Abwägung zu klimafreundlichen Grundlastkraftwerken (Kernenergie, Wasserkraft, Biomasse und in Zukunft Fusion) bedarf.

Den von der Bundesregierung beschlossenen Kohleausstieg wollen Liberale auch mit solchen Herangehensweisen als Chance begreifen. Nur mit neuen Technologien und gezielten Investitionen könne wir das Energieland Sachsen nachhaltig umbauen. Wenn der Freistaat Sachsen Energie-Erzeugerland bleiben soll, kommt den Betreibern heutiger Kohlekraftwerke eine große Bedeutung zu. Bisher war in Sachsen angedacht, die vorhandene Energienetzinfrastruktur weiter zu nutzen und an den bisherigen Kraftwerksstandorten moderne Gaskraftwerke entstehen zu lassen. Diese sollten als Brücke in die Zukunft dienen und mit ihrer schnellen Regelbarkeit die Grundlast sichern und für Netzstabilität sorgen. Der Krieg in der Ukraine und die Sanktionen mit Russland lassen diese Variante aktuell eher unwahrscheinlich werden. Schließlich ist die Einfuhr oder Gewinnung von Fracking-Gas keine klimafreundliche Alternative.

Wir Liberale sehen deshalb aktuell zwei Entwicklungsmöglichkeiten:Deshalb sehen wir Freien Demokraten nunmehr die Kernenergie in Deutschland als eine mögliche Brückentechnologie an. Wir setzen uns daher für eine Laufzeitverlängerung der verbleibenden Kernkraftwerke über das Jahr 2023 hinaus ein und fordern die rechtlichen Rahmenbedingungen auf Bundesebene dafür zu schaffen. Weiterhin befürworten wir den Neubau von sicheren Kernreaktoren der Generationen 3 plus und 4 an Standorten bestehender sächsischer Kohlekraftwerke, falls dies ökonomisch sinnvoll ist.

Zusätzlich müssen die vorhandenen Braunkohle Kraftwerke in Sachsen zunächstlänger als geplant betrieben werden. Parallel fordern wir den gezielten Aufbau der Produktion von grünem Wasserstoff vor Ort. Die bestehenden Erdgasnetze müssen dann so umgerüstet werden, dass sie zukünftig als Wasserstoffinfrastruktur genutzt werden können. Insgesamt ist der Ausstieg aus der Kohle für uns ein zeitliches Generationenprojekt, denn die Sicherheit der Versorgung mit elektrischer Energie und Wärme darf nicht gefährdet werden. Eine politische Vorgabe eines Ausstiegsjahres ist für uns immer nur ein Ziel, kein Dogma. Wichtig ist, dass der Ausstieg auch praktisch vernünftig gelingt. Deshalb fordern wir auch die Maßnahmen aus dem Kohlekompromiss unbedingtnachzujustieren, da die Versorgungssicherheit aus Sicht der FDP Sachsen darin zu wenig Beachtung findet.

Wie die Kommunen muss sich auch die Industrie konsequent auf den Weg machen, um ihren Kohlenstoffausstoß weitgehend zu reduzieren. Beschleunigt wird dieser Prozess aktuell ebenso durch die Sanktionen von Russland. Fossile Ressourcen müssen also schnellstmöglich in der chemischen Industrie und anderen Bereichen ersetzt werden. Um diesen Prozess schnell und effektiv umzusetzen, fordern wir Freien Demokraten keine Denkverbote oder gar pauschale Vorverurteilungen bzw. sogar Verbote bestimmter Technologien oder Energieträger. Gerade die Entwicklung alternativer Kraftstoffe ist wichtig und deren Zertifizierung muss vereinfacht werden. Klimafreundliche synthetische Kraftstoffe sind eine bereits heute verfügbare Alternative für alle Verkehrsarten, die ohne technische Umrüstung in herkömmlichen Verbrennungsmotoren verwendet werden können.

Wir Freie Demokraten wollen mit marktwirtschaftlichen Instrumenten dafür sorgen, dass sich technologieoffen die besten und effizientesten Lösungen zur CO2-Reduktion durchsetzen. Der Königsweg ist für uns die Bepreisung der Emissionen. Dies entspricht auch dem marktwirtschaftlichen Verursacherprinzip. Wer die Umwelt belastet, muss den Schaden beheben oder in mindestens gleicher Höhe Ausgleichszahlungen leisten. Die Umwelt kennt keine guten oder bösen Verursacher. Deshalb muss gelten: Jeder, der die Umwelt belastet, zahlt. Soziale Härten müssen dabei durch die beschlossene Abschaffung der EEG-Umlage, die dauerhafte Senkung der Stromsteuer auf das europäische Mindestniveau. Parallel fordern wir die Sächsische Staatsregierung auf, sich für die Einführung des ermäßigten Mehrwertsteuersatz von 7 % auf Energieträger, einzusetzen.

3. Förderung einer „Nachhaltigen Industrialisierung“

Der Umbau der vom Strukturwandel betroffenen Braunkohleregionen Sachsens gelingt gleichfalls nur mit neuen Denkansätzen und Experimentierfreudigkeit. Wir sehen in ihm eine Blaupause für ganz Sachsen und setzen uns dabei für Experimentierklauseln ein, um Verfahren und gezielte Förderungen zu testen, die im Nachgang im ganzen Freistaat angewandt werden können. Dazu braucht es ein intensives Controlling der Maßnahmen und eine tiefgehende Analyse der angewandten Methoden.

Insbesondere in der Lausitz ist der Braunkohleabbau von historischer Bedeutunggewesen und damit identitätsstiftend für die gesamte Region. Gleichzeitig haben die Strukturbrüche nach der Wiedervereinigung 1990 mit ihrer bis dahin unvorstellbaren Dynamik und weitreichenden Folgen für die Bevölkerung bis heute Spuren in der Gesellschaft hinterlassen. Wir als Freie Demokraten sind uns dieser Erfahrungen bewusst und berücksichtigen sie bei der Gestaltung der zukünftigen Prozesse. Wir wollen den Strukturwandel in Sachsen besser und für die Bevölkerung spürbar positiver gestalten.

Nachhaltig ist der Strukturwandel erst, wenn eine überwiegend einseitig bestimmte Branche, wie dem Kohleabbau ausgerichtete Industrielandschaft vielfältiger ist und neue Wertschöpfungsketten generiert. Oftmals gibt es neben den großen Arbeitgeber eher kleine mittelständische Unternehmen, die mehr oder weniger in die Zulieferprozesse einbezogen sind sowie zahlreiche Handwerksfirmen. Obgleich eine kleinteilige lokal verortete Wirtschaft weniger krisenanfällig für konjunkturelle Schwankungen scheint, fällt gerade kleineren Unternehmen die Neuausrichtung besonders schwer. Dem Firmeninhaber kommt dabei als Akteur der Innovationsfähigkeit seines Unternehmens eine besonders zentrale Rolle zu. Er muss das Risiko tragen, die neuen Produkte/Leistungen bis zur Marktreife zu entwickeln und die finanzielle Kraft haben, diese erfolgreicham Markt zu platzieren.

Wir wollen mit einer nachhaltigen Politik die Firmen bei ihrem eigenen ökonomisch-ökologischen Strukturwandel unterstützen. Die angestrebten strukturellen wirtschaftlichen Änderungen sollen dynamisch und flexibel entwickeln können, um Spielraum für technologische Entwicklungen zu haben.

Die Politik muss jedoch in den Regionen klare langfristige Orientierungen geben,um damit stabile Rahmenbedingungen für Investitionen zu schaffen. Wir Freie Demokraten wollen insbesondere die Bereitschaft der Unternehmer stärken, das Risiko des Wandels einzugehen und eine aktive Rolle in diesem Prozess anzunehmen. Neben Wissensvermittlung und Unterstützung des Technologietransfers zwischen angewandter Forschung und Praxis muss auch eine finanzielle Förderung der Unternehmen direkt möglich sein. Während die Banken traditionell eher größere Unternehmen in gut etablierten Branchen fördern, muss gerade beim Strukturwandel die Finanzierung von Investitionen in kleinen Unternehmen und in weniger gut etablierten Branchen erfolgen. Dafür sollen die Unternehmen direkt und bis zu fünf Jahre lang eine finanzielle Unterstützung beziehungsweise finanzielle Anreize erhalten. Hierfür setzen wir uns dafür ein, Gelder aus dem Strukturwandelfonds direkt an Unternehmen auszuzahlen. Wir könnten uns aber auch Steueranreize an die Unternehmen vorstellen, wobei der Freistaat diese den betroffenen Kommunen ausgleichen müsste. Jede Lösung muss jedoch so gestaltet sein, dass sie einfach nutzbar, aber trotzdem wirkungsvoll und mit dem EU-Beihilferecht vereinbar ist.Gleichzeitig muss die Förderpolitik die Entwicklung neuer Geschäftsfelder für Strukturwandelregionen insgesamt im Auge behalten. Dafür dürfen nicht nur einzelne technische Lösungen unterstützt werden und Förderstrategie nicht zu kleinteilig ausgerichtet sein. Fondslösungen bieten sich daher zur Stärkung der Innovationsfähigkeit von Unternehmen an.

Neben den finanziellen Ressourcen ist auch die Verfügbarkeit von qualifizierten Arbeitskräften für das Gelingen des Strukturwandels wichtig. Aktuell orientiert sich die Qualifikation der Beschäftigten zum Beispiel in der Lausitz an deBedürfnissen der ansässigen Unternehmen, also wesentlich im Zusammenhang mit Braunkohleförderung und -verstromung sowie deren Zulieferbetriebe. Beschäftigte mit anderen Qualifikationen, die für eine Neuausrichtung der Wirtschaft in der Region von Vorteil sein könnten, haben die Region aus Mangelan Beschäftigungsmöglichkeiten verlassen. Gerade deshalb ist aber auch die Einbeziehung der Wissenschaft und Weiterbildung für das Gelingen des Strukturwandels von enormer Bedeutung. Wir wollen uns daher dafür einsetzen, dass die sächsischen Hochschulen über Transferbüros und, wo es Sinn macht, Außenstellen intensiv mit den zu fördernden Strukturen verknüpft sind und ihr Knowhow in Anwendung bringen können.

Die Ressource Wasserstoff kann in Sachsen eine zentrale Rolle für die wirtschaftliche Transformation übernehmen. Im Koalitionsvertrag von FDP mit SPD und Grünen im Bund ist der Ausbau einer neuen Wasserstoffinfrastruktur vorbereitet worden. Deutschland soll Leitmarkt für grüne Wasserstofftechnologien werden. Allerdings ist grüner Wasserstoff noch immer ein Nischenprodukt und circa 99 % des weltweit genutzten Wasserstoffs sind grau, denn dieser wird nach wie vor aus Erdgas gewonnen. Wir wollen deshalb die Forschung und Entwicklung von grünem Wasserstoff in den aktuellen Strukturwandelregionen fördern. Wir werden die sächsische Staatsregierung an der 2021 vereinbarten sächsischen Wasserstoffstrategie messen´. Wir fordern dabei einen breiten interdisziplinären Ansatz, der auch vorhandene Firmen in diesem Sektor mit einbindet und praxistaugliche Lösungen für die Industrie zur Verfügung stellt.

Nicht zuletzt ist auch der Ausbau der Infrastruktur in Strukturwandelregionen von Bedeutung. Vom Ausbau beziehungsweise einer Verbesserung der Infrastruktur profitieren zum einen die bereits dort lebenden Menschen. Eine gut ausgebaute Infrastruktur erlaubt flexible Job- und Standortwechsel, wie sie im im Zuge des Strukturwandels notwendig sein könnten. Zum anderen profitieren Unternehmen, die sich neu ansiedeln, deren Beschäftigte sowie die regionale Bevölkerung, die hierdurch an Lebensqualität gewinnen. Infrastrukturprojekte mit regionaler Bedeutung, wie der zügige Ausbau der B 178, dienen der Zukunftssicherung und senden positive Signale als Zeichen des Aufbruchs. Auch ein solches Klima und eine positive Stimmung in der Region sind als „Energie“ für den Wandlungsprozess nicht zu unterschätzen. Darüber hinaus muss auch eine zukunftsfähige Dateninfrastruktur geschaffen werden. Das Handlungsprogramm zur Umsetzung des Strukturstärkungsgesetzes Kohleregionen des Bundes in den sächsischen Braunkohlerevieren aus dem Jahr 2020 wollen wir überarbeiten, inhaltlich zu schärfen und zu einer Vorlage für einen übergreifenden sächsischen Strukturwandel machen.

Wir Freien Demokraten verstehen uns als „Ermöglicher“. Wir werden alle anstehenden Herausforderungen nur nachhaltig meistern können, wenn wir auch dafür „Macher“ finden. Diese müssen selbständig und kreativ tätig werden dürfen. Dafür braucht es verlässliche und einfache gesetzliche Rahmenbedingungen sowie marktwirtschaftliche Anreize. Hierfür müssen wir als sächsische Liberale in der Tradition von Hans Carl von Carlowitz in der sächsischen Landespolitik wirken!