Qualität im sächsischen Schulsystem erhalten – Keine Niveauabsenkung durch Aufhebung des Kooperationsverbots
- Beschluss des 37. Landesparteitages am 05.11.2011 in Oschatz
Zur Diskussion über die Aufhebung des sogenannten „Kooperationsverbotes“ bezüglich der gemeinsamen Finanzierung von schulischen Aufgaben durch Bund und Länder positionieren sich die Freien Demokraten in Sachsen mit den folgenden Thesen.
Die Debatte über die Bildungspolitik ist richtig, denn sie schafft mehr Aufmerksamkeit in der öffentlichen Diskussion.
Die intensive öffentliche Diskussion über die Bildungspolitik und Schulqualität ist nicht nur überfällig – sie ist gut für Deutschland. Die Debatte schafft das Bewusstsein dafür, dass die Qualität unserer Schulen maßgeblich über die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes und die persönlichen Wohlstandschancen entscheidet. Bildungspolitik muss im Vergleich zu anderen Politikfeldern - wie der Sozialpolitik - eine höhere öffentliche Aufmerksamkeit bekommen. Nur ein intensiver Dialog führt zu Entscheidungen, die Deutschland in Bildungsfragen voranbringen.
Vergleichende Studien wie PISA haben Transparenz geschaffen und zeigen Unterschiede in der Qualität der schulischen Bildung zwischen den Ländern auf. Die Vergleichbarkeit ist Voraussetzung dafür, dass der Bildungsföderalismus zu besseren Ergebnissen führt. Niemand sollte sich auf dem Erreichten ausruhen - weder die qualitativ eher schwachen noch die starken Bundesländer.
Ein zentrales Bildungssystem ist kein Garant für höhere Qualität, sondern führt zu Mittelmaß.
Ein zentrales Bildungssystem führt nicht automatisch zu mehr Bildungsqualität, sondern eher zu Mittelmaß. Starke Bundesländer wie Sachsen würden durch eine Nivellierung und die Einigung auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner eher verlieren, ohne dass schwache Länder dadurch gewinnen.
Die Unterschiedlichkeit in der Schulqualität der Bundesländer lässt sich nicht dadurch auflösen, dass die Bundesebene von oben Gleichheit verordnet - beispielsweise durch ein „Bundesamt für Schulwesen“. Durch eine neue Bundeszuständigkeit würde langfristig ein personalintensives und aufwändiges zentrales Steuerungssystem entstehen, das die Handlungsfähigkeit von Ländern und Kommunen sowie Lehrern und Schülern einschränkt.
Welches Bildungssystem sorgt für den besten Bildungserfolg in Deutschland? Die Antworten darauf würden höchst unterschiedlich ausfallen - im Zeitvergleich, aber auch zwischen den verschiedenen Parteien und bildungspolitischen Akteuren. Niemand verfügt über ein Weisheitsmonopol - deshalb sorgen gerade Wettbewerb und Transparenz in der Bildungspolitik für die langfristig richtigen Schlussfolgerungen.
Ohne den Bildungsföderalismus wären ein zwölfjähriges Abitur oder der erfolgreiche Weg Sachsens mit seinem Zwei-Wege-System aus Mittelschule (Oberschule) und Gymnasium nicht möglich gewesen. Deshalb brauchen wir den innovativen Wettbewerb um die beste Bildungsstrategie, damit die Schüler in ganz Deutschland von den erfolgreichsten pädagogischen Konzepten und Strukturen profitieren.
Die Aufhebung des Kooperationsverbotes ist eine reine Phantomdiskussion, die kein Problem löst.
Aus gutem Grund wurde im Rahmen der Föderalismusreform die verfassungsmäßige Zuordnung der Schulpolitik an die Länder festgeschrieben. Nur eine klare Zuständigkeit schafft auch klare Verantwortung. Daher ist es richtig, dass das sogenannte Kooperationsverbot eine inhaltliche Einflussnahme und eine finanzielle Beteiligung des Bundes im Bereich Schule ausschließt. Im Umkehrschluss ist es immer möglich, dass Bundesländer gemeinsame bildungspolitische Entscheidungen treffen können.
Hauptargument für die Abschaffung des Kooperationsverbotes im Grundgesetz ist "fehlendes Geld" in den Länderhaushalten. Dies soll dann der Bund zahlen, der trotz Rekord bei den Steuereinnahmen mit jedem Haushalt neue Milliardendefizite aufbaut - im Gegensatz zu Sachsen, das gute Bildungsergebnisse mit einem generationengerechten Haushalt ohne Neuverschuldung vorweist.
Eine höhere Bildungsqualität ist jedoch nicht allein eine Geldfrage - das zeigen die Vergleiche zwischen den Ländern. Und wenn der Bund die Länder bei den Bildungsausgaben unbedingt unterstützen will, warum dann nicht durch einen höheren Länder-Umsatzsteueranteil? Natürlich gegen eine Verpflichtung der Bundesländer für die Steigerung ihrer Bildungsausgaben.
Zudem sind die bildungspolitischen Erfordernisse in den jeweiligen Bundesländern höchst unterschiedlich. Während Sachsen einen Bedarf bei der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention und der Absicherung des Lehrerbedarfs hat, haben ihn andere Bundesländer im Bereich der Ganztagsbetreuung und der Sprachausbildung von Migranten.
Der Wegfall des Kooperationsverbots führt zu einer neuen Mischfinanzierung im Bildungsbereich. Im ungünstigsten Fall finanzieren dann Bund und Länder gegenläufige Bildungskonzepte. Der Bund könnte über die Förderung bestimmter Schulkosten die Länder an die sprichwörtlichen „goldenen Zügel“ nehmen, damit stückweise entmachten und Verantwortlichkeiten verwischen. Zudem: Eine rot-grüne Bundesregierung könnte beispielsweise ein Einheitsschulprogramm für 4 Milliarden Euro auflegen – welches Bundesland würde da widerstehen?
Schon gegenwärtig ist die Mischzuständigkeit für Schulen zwischen Kommunen und Ländern ein Problem. Mit dem Bund als dritten Partner käme ein weiteres hinzu. Und am Ende wird der "Schwarze Peter" für schlechte Bildungsqualität zwischen Länder- und Bundesebene hin und her geschoben. Das bringt keinen Schüler weiter. Die Aufhebung des Kooperationsverbotes ist daher eine reine Phantomdiskussion.
Wir müssen die Bildungsfinanzierung entflechten, um klare Verantwortlichkeiten zu schaffen.
Die Bundesrepublik braucht eine Reform der Bildungsfinanzierung - aber nicht mit mehr Mischzuständigkeiten und Mischfinanzierungen, sondern mit einer eindeutigen Aufgabenzuweisung. Deswegen fordern wir eine vollständige Finanzierung beim Bafög durch den Bund und einen Punkt mehr aus dem bestehenden Mehrwertsteueraufkommen für die Bildungsausgaben von Ländern, Städten und Gemeinden. Damit werden Schuldenbremsen nicht zu Bildungsbremsen.
Die Mehreinnahmen von rund zehn Milliarden Euro der Länder- und Kommunalebene sollen in die Bildung fließen. Dies müssen die Bundesländer vertraglich zusichern und wie beim Solidarpakt jährlich nachweisen. Bei Ländern, die diese Mittel nicht zweckgerecht verwenden, muss es Sanktionsmöglichkeiten bezüglich eines Mittelentzugs geben.
Zudem streben wir auf Länderebene ein Umsteuern bei der Bildungsfinanzierung an. Wir wollen nicht mehr bestimmte Träger, sondern die Schüler und deren spezifischen Förderbedarf finanzieren - nach dem Prinzip "Das Geld folgt dem Schüler". Dies schafft einen Qualitätswettbewerb und sorgt dafür, dass die individuellen Bedürfnisse des Schülers im Mittelpunkt stehen.
Ein Bildungsstaatsvertrag verbessert die Zusammenarbeit, schafft mehr Vergleichbarkeit und gemeinsame Standards.
Der Bildungsföderalismus muss sich auf seine Stärken besinnen und berechtigte Kritik der Bevölkerung ausräumen. Rund 90 Prozent der Deutschen sprechen sich für eine bundesweite Einheitlichkeit von Abschlussprüfungen aus. Derzeit existieren 16 verschiedene Schulsysteme mit 96 verschiedenen Schulformen. Transparenz und Vergleichbarkeit sind oft nicht gegeben.
Die Forderung der Bevölkerung nach mehr Übersichtlichkeit und bundesweit einheitlichen Standards ist berechtigt – diese Aufgabe haben die Länder zu lange verschleppt. Nur wenn die Ergebnisse des Wettbewerbs im Rahmen des Föderalismus auch wirklich objektiv vergleichbar sind, lassen sich daraus Schlussfolgerungen ableiten. Dazu kann der Bund als „17. Teilnehmer“ der bestehenden Kultusministerkonferenz aber nichts beitragen. Die Bundesländer sind hier jedoch stärker gefragt.
Die vom Institut für die Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) entwickelten Bildungsstandards müssen in allen Ländern und Schulformen konsequent umgesetzt werden. Wie diese Standards erreicht werden, soll der Eigenverantwortung der Bildungseinrichtungen und Länder überlassen sein. Für mobilitätsbedingte Schulwechsler müssen darüber hinaus reguläre Angebote vor allem in den Kernfächern geschaffen werden.
Für eine effizientere Organisation der Bildungspolitik gehört der stark angewachsene Behördenapparat der Kultusministerkonferenz (KMK) aufgelöst. Wir wollen stattdessen die freiwillige Zusammenarbeit der Bildungsminister der Länder durch einen Bildungsstaatsvertrag stärken.
Dieser schafft einen gemeinsamen Rahmen für die Schulbildung in allen Ländern - demokratisch durch die Landesparlamente legitimiert. Der Bildungsstaatsvertrag soll die Vergleichbarkeit von Abschlüssen festschreiben, qualitative Leistungsstandards festlegen und eine vergleichbare Lehrerausbildung sichern. Nicht zuletzt braucht es einheitliche Kriterien für eine objektiv bewertbare Bildungsberichtserstattung.
Länder können zudem gemeinsame Aufgabenpools für die Abschlussprüfungen im Bereich der Kernfächer schaffen oder auch bei der Lehrerausbildung kooperieren. Dass eine freiwillige Zusammenarbeit in der Praxis funktioniert, zeigt die Initiative von Sachsen, Bayern und Mecklenburg-Vorpommern zur Schaffung gemeinsamer Abituraufgaben.
Die Unterrichtsqualität ist der Hebel für bessere Bildungsergebnisse, dafür brauchen die Schulen mehr Eigenverantwortung.
Nicht mehr Zentralismus, sondern mehr Freiheit in den Schulen schafft den Rahmen für eine höhere Bildungsqualität. Unser Ziel ist es, die Eigenverantwortlichkeit der Schulen deutlich zu erhöhen. Dazu sollen gemeinsam mit den Schulträgern mehr Freiheiten bei Budgetierung, Organisation, bei der Auswahl und beim Einsatz des Personals sowie bei der pädagogischen Profilbildung der Schulen gewährt werden. Im Gegenzug sind eine hohe Transparenz und Rechenschaftspflicht zu vereinbaren.
Bildungsqualität hängt vor allem von der Organisation und Qualität des Unterrichts, dem Schulklima, den individuellen Fähigkeiten der Lehrer sowie der Unterrichtsversorgung ab. Aufgabe der Politik ist es dabei, Innovationen zuzulassen und notwendige Strukturen und Ressourcen für den Bildungserfolg bereitzustellen - von der Schulsozialarbeit bis zur Gebäudeinfrastruktur. Innerhalb des Rahmens sind es dann die Schulen selbst, die Verantwortung für ihre Ergebnisse übernehmen müssen.
Statt permanent Strukturdebatten zu führen, müssen wir uns auf mehr Durchlässigkeit und Anschlussfähigkeit konzentrieren.
Aufgabe der Bildungspolitik muss es sein, für Durchlässigkeit, Anschlussfähigkeit und die Wahl verschiedener Geschwindigkeiten für den individuellen Bildungserfolg zu sorgen. Eine Diskussion über die Strukturen der Bildungssysteme lenkt überwiegend vom Kernanliegen einer höheren Bildungsqualität ab. Gerade die Bundesländer, welche in den letzten Jahrzehnten die "größte politische Experimentierlust" bei ihren Schulformen zeigten, schneiden heute bei vielen Leistungsvergleichen unterdurchschnittlich ab.
Die berufliche Mobilität der Eltern darf nicht zum Nachteil für ihre schulpflichtigen Kinder werden. Daher müssen die deutschen Bundesländer sicherstellen, dass für Schüler beim Umzug zwischen Bundesländern die Anschlussfähigkeit in einer neuen Schule
gewährleistet ist. Dafür brauchen wir gemeinsame Leistungsstandards der Länder und Möglichkeiten zur individuellen Betreuung in der neuen Schule.
Entscheidend für ein gutes Bildungssystem ist, dass ein spezifischer Abschluss keine Sackgasse ist, sondern Aufstiegschancen zulässt. Dabei geht es nicht nur um die Beseitigung formaler Schranken, sondern auch um konkrete Angebote für den Bildungsaufstieg.