Sachsen fit für 2020 machen – Mehr Freiheit wagen. Leitlinien für einen starken und selbstbewussten Freistaat

Aus Positionen der FDP Sachsen
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Beschluss des 34. Landesparteitages der FDP Sachsen, Chemnitz, 27. März 2010

Sachsen steht in den kommenden Jahren vor der größten Herausforderung seit der Wende. Die dramatischen Folgen der Wirtschafts- und Finanzkrise, der Rückgang der Finanztransfers für die neuen Länder und der demografische Wandel verlangen nach einem neuen Aufbruch. Sie verlangen nach einer mutigen Politik, die bisherige Strukturen und Aufgaben auf den Prüfstand stellt. Und die klar auf soziale Marktwirtschaft und Wirtschaftswachstum setzt. Allein bis 2019 wird jeder vierte Euro im sächsischen Landeshaushalt wegfallen. Der Freistaat muss sich jetzt darauf vorbereiten.

Wir wollen im Jahr 2020 ein starkes und handlungsfähiges Sachsen. Wir wollen, dass unser Freistaat als erstes ostdeutsches Bundesland wirtschaftlich auf eigenen Beinen steht. Und wir wollen zu den ersten Bundesländern im Westen aufschließen. Langfristig soll Sachsen im Länderfinanzausgleich vom Nehmerland zum Geberland werden.

Für diese ehrgeizigen Ziele haben FDP und CDU Regierungsverantwortung übernommen. Wir stehen vor schwierigen Aufgaben. Sie erfordern Mut, Kraft und einen klaren Kurs. Sie verlangen nach politischen Prioritäten. Die Zeiten üppiger Fördermittel gehen dem Ende entgegen. Wir müssen deshalb heute die Weichen für zukunftsfähige Strukturen im Freistaat stellen. Wir brauchen eine mutige Staatsmodernisierung, um Sachsen fit für 2020 zu machen.

Es geht dabei nicht nur um wirtschaftliche Stärke und solide Staatsfinanzen. Es geht um ein attraktives Sachsen, das durch Aufstiegschancen und Lebensqualität junge Leute aus ganz Deutschland und dem Ausland anzieht. Wir wollen ein freiheitliches und dynamisches Sachsen, das dazu einlädt, hier zu leben, zu arbeiten und Familien zu gründen.

Wir brauchen ein neues Verhältnis zwischen Staat und Bürger. Der Strukturwandel und sinkende Transfermittel bieten auch eine Chance - für die Verwirklichung einer freiheitlichen Bürgergesellschaft. Dafür braucht es eine Geisteshaltung, die nicht länger auf die Abhängigkeit von Subventionen setzt, sondern auf Selbstbewusstsein und eigene Stärke. Wir sehen in den notwendigen Veränderungen zuerst die Chancen, und nicht nur Risiken.

Eine freiheitliche Bürgergesellschaft ist solidarisch. Echte Solidarität zeigt sich jedoch nicht nur an der Höhe des Sozialhaushalts. Solidarität wird gelebt, in dem Menschen für einander Verantwortung übernehmen, wenn Starke den Schwachen auch ohne gesetzliche Vorschriften helfen. Indem jeder nach seinen Möglichkeiten für die eigene Zukunft vorsorgt, wird die Bürgergesellschaft gestärkt. Dafür müssen wir die berufstätige Mitte in Sachsen entlasten. Wir werden die finanziellen Spielräume schaffen, damit Bürger und Unternehmen mehr Verantwortung übernehmen können.

Wir bekennen uns zu einem schlanken und leistungsfähigen Staat. Sachsen soll mit seiner Staatsmodernisierung zum Vorbild und Innovationsmotor in Deutschland werden. Es reicht uns 20 Jahre nach der friedlichen Revolution nicht aus, nur Konzepte anderer Bundesländer zu kopieren. Wir gehen unseren eigenen sächsischen Weg. Wir setzen auf eigene Stärken.

Diesen Weg wollen wir zusammen mit unseren Kommunen gehen. Die sächsischen Gemeinden, Städte und Landkreise stehen vor den gleichen Herausforderungen wie der Freistaat. Überall müssen Strukturen modernisiert und Aufgaben auf den Prüfstand gestellt werden. Gemeinsam wollen wir Sachsen fit für die Zukunft machen. Was für Sachsen gilt, hat der Bund noch vor sich. Ganz Deutschland braucht eine umfassende Staatsmodernisierung.

Ein schlanker Staat braucht aktive Bürger

Derzeit gibt Sachsen jeden vierten Euro für die eigene Verwaltung aus. Das können wir uns auf Dauer nicht leisten. Es reicht nicht aus, dem Rückgang der Einnahmen zuzuschauen. Wir müssen Strukturen auf den Prüfstand stellen. Wir brauchen den Mut, auf staatliche Aufgaben zu verzichten. Nur wenn die Verwaltung effizienter arbeitet und wir ein stärkeres Wirtschaftswachstum erzielen, kann sich Sachsen zukünftig aus eigener Kraft finanzieren.

Die Staatsmodernisierung ist das zentrale Projekt der Staatsregierung aus FDP und CDU. Wir wollen den Verwaltungsaufwand in Sachsen deutlich senken. Damit schaffen wir bis zum Jahr 2020 die Spielräume, um weiterhin eigenständig Landespolitik zu gestalten – ob bei Bildung, Wissenschaft, Kultur oder Sicherheit.

Wir werden verhindern, dass sich Sachsen neu verschuldet und Lasten auf zukünftige Generationen verschiebt. Wir werden keine zusätzlichen Ausgaben im Landeshaushalt beschließen, die nicht mindestens in gleicher Höhe an anderer Stelle eingespart werden. Auch wollen wir für jeden neuen Beamten finanzielle Vorsorge betreiben, um im Sinne der Generationengerechtigkeit Verpflichtungen für Pensionslasten abzusichern.

Im Rahmen der Staatsmodernisierung werden wir staatliche Aufgaben und Vorschriften streichen sowie die Landesverwaltung für Bürger und Unternehmen serviceorientierter gestalten. Wir können uns nicht mehr alles Wünschenswerte leisten, wenn wir das Notwendige in guter Qualität auch zukünftig erfüllen wollen. Die finanziellen Ressourcen des Freistaates sind in erster Linie auf hoheitliche Bereiche und strategische Zukunftsaufgaben wie Bildung, Forschung und Wirtschaftswachstum zu konzentrieren. Sparen ist kein Selbstzweck. Es schafft die Voraussetzungen, dass Sachsen auch nach 2020 noch eigene politische Akzente setzen kann.

Wir brauchen einen Kurswechsel bei der gesamten Förderpolitik des Freistaates. Wir wollen zukünftig nur noch Vorhaben fördern, die einen nachweisbaren Nutzen im Sinne der strategischen Ziele des Freistaates bringen. Projekte, die nur in Angriff genommen werden, weil es eine hohe Förderquote gibt, kann sich Sachsen nicht länger leisten. Deshalb werden wir die Zahl staatlicher Förderprogramme reduzieren, ihre Abwicklung effizienter gestalten und mehr Wettbewerb ermöglichen.

Die sächsischen Pro-Kopf-Ausgaben für das Landespersonal liegen heute über dem Durchschnitt westdeutscher Flächenländer. Es kann auf Dauer nicht gut gehen, dass bei rückläufigen Gesamteinnahmen nur ein Kostenblock ständig weiter ansteigt: die Personalausgaben. Daher muss der geplante Abbau von Stellen in der Landesverwaltung konsequent vorangetrieben werden.

Gleichzeitig braucht ein leistungsfähiger Staat eine qualifizierte Verwaltung. Wir wollen Einstellungskorridore für junge Polizisten und Lehrer, aber auch für leistungsbereite Verwaltungsmitarbeiter schaffen. Dafür tragen nicht nur der Staat, sondern alle Tarifpartner Verantwortung. Die Tarifpolitik der kommenden Jahre muss ein Zeichen der Solidarität setzen. Es kann keine Selbstverständlichkeit sein, dass die Gehälter im öffentlichen Dienst jedes Jahr steigen und das Lohngefälle zur freien Wirtschaft immer größer wird. Um sächsische Interessen zu vertreten, brauchen wir den zügigen Ausstieg aus der Tarifgemeinschaft deutscher Länder. Und wir brauchen im öffentlichen Dienst mehr flexible und leistungsbezogene Bezahlung. Starre Stellenpläne sollen durch Personalbudgets abgelöst werden.

Eine starke Zivilgesellschaft benötigt mündige und aktive Bürger. Wir wollen ein weltoffenes und tolerantes Sachsen. Wir wollen Bürger, die hinschauen – ganz gleich, ob es um Kleinkriminalität oder Ausländerfeindlichkeit geht. In einer freiheitlichen Bürgergesellschaft wird das ehrenamtliche und gemeinschaftliche Engagement an Bedeutung gewinnen. Das gilt für die Nachbarschaftshilfe genauso wie für private Initiativen zur eigenständigen Gestaltung eines attraktiven kommunalen Umfeldes.

Bildung verbessern und Innovationen fördern

Beste Bildung und sächsischer Innovationsgeist sind die Schlüssel zu mehr Wachstum und Wohlstand. Mit uns gibt es keine Denkverbote in der Forschung. Nicht ideologische Scheuklappen, sondern eine humanistische Geisteshaltung und ethische Werte sollen die Grenzen der Forschungsfreiheit bestimmen. Das gilt für die Forschung an Stammzellen genauso wie bei der Kerntechnologie.

Sachsen muss zum Magneten für leistungswillige Studenten und exzellente Forscher werden. Dazu müssen wir unsere Hochschullandschaft umbauen. Nicht jede Hochschule muss zukünftig jeden Studiengang anbieten. Wir brauchen den Mut, Prioritäten für Exzellenz und Qualität zu setzen. Im innerdeutschen und europäischen Wettbewerb brauchen wir profilierte Hochschulen mit mehr Eigenständigkeit und Eigenverantwortung. Durch die schrittweise Einführung eines Stipendien- und Studiendarlehenssystems stellen wir sicher, dass Leistung sich bereits während des Studiums auszahlt und Talente aus allen Einkommensschichten zu einem Studium motiviert werden. Gleichzeitig wollen wir den Hochschulen die Erhebung von Studienbeiträgen ermöglichen. Diese sollen ausschließlich die Qualität der Lehre verbessern und die Bindung zwischen Studenten und Hochschulen erhöhen.

Angesichts des demografischen Wandels kommt der Qualität unserer Schulen und Kitas eine besondere Bedeutung zu. Für uns ist es inakzeptabel, dass jeder zwölfte sächsische Schüler die Schule ohne Abschluss verlässt und darüber hinaus viele Schüler nicht ausbildungsfähig sind. Wir brauchen eine gemeinsame Kraftanstrengung von Staat, Schulen, Eltern und Wirtschaft, um Bildungsreserven zu erschließen und Schüler besser auf die Anforderungen im Berufsleben vorzubereiten. Eigenverantwortliche Schulen, individuelle Förderung und eine weitere Stärkung der frühkindlichen Bildung sind unverzichtbar. Gleichzeitig solle jeder sächsische Schüler in einer durchlässigen Schullandschaft faire Aufstiegschancen haben. Das zukünftige sächsische Bildungssystem wird jedem Schüler die Möglichkeit geben, den für sich besten Abschluss zu erreichen. Deshalb werden wir die bisherigen Mittelschulen stärken und zu sächsischen Oberschulen aufwerten. Für alle Schüler der Klassenstufe sechs wird es zukünftig eine obligatorische zweite Bildungsempfehlung geben. Bestehende Hürden für den Wechsel zwischen Mittelschule und Gymnasium werden damit beseitigt. Die FDP Sachsen setzt sich für ein mehrsprachiges Sachsen ein. Bilinguale Bildungseinrichtungen sind besonders im Grenzgebiet zu Tschechien und Polen zu fördern. Neben dem Erlernen der englischen Sprache bildet das Erlernen der Nachbarsprachen einen wesentlichen Grundstein für das europäische Zusammenwachsen und setzt Impulse für die transregionale Wirtschaftsentwicklung. Der Abschluss entsprechender Staatsverträge zur gegenseitigen Anerkennung von Schulleistungen ist zu forcieren, damit deutsche Kinder auch in Polen bzw. Tschechien die Schule besuchen können und sich im Grenzgebiet leichter bilinguale Bildungseinrichtungen bilden können.

Wachstum beschleunigen und Steuern senken

Wir bekennen uns zu einer wachstumsorientierten Wirtschaftspolitik. Sachsen kann und muss stärker wachsen als der deutsche Durchschnitt. Dafür wollen wir Wachstumsbarrieren beseitigen. Bestehende bürokratische, ökologische und soziale Vorschriften gehören auf den Prüfstand. Unser Ziel ist es, auch bei zurückgehenden Mitteln weiter in die Modernisierung unserer Infrastruktur zu investieren. Dafür müssen wir neue Wege gehen. Die Absenkung von  Standards, beispielsweise im öffentlichen Straßenbau oder in der Gebäudeausstattung, soll ein dauerhaft hohes Investitionsniveau im Freistaat ermöglichen. Für eine nachhaltige Kosteneffizienz sind die langfristigen Bewirtschaftungskosten von der Planungsphase an in der Kalkulation zu berücksichtigen.

Für uns steht ein Grundsatz fest: In einem Sozialstaat kann nur das verteilt werden, was vorher erwirtschaftet wurde. Wir sprechen uns gegen neue Sozialleistungen aus, ohne dass an anderen Leistungen eingespart wird. Die gesellschaftliche Balance zwischen den Steuer- und Beitragszahlern auf der einen Seite und Leistungsempfängern auf der anderen Seite darf nicht ins Wanken geraten. Soziale Leistungen für arbeitsfähige Erwachsene müssen so gestaltet sein, dass der Anreiz zur Aufnahme von Arbeit besteht. Für die Freien Demokraten gilt: Arbeit muss sich lohnen! Und wer arbeitet, muss mehr in der Tasche haben als der, der nicht arbeitet.

Wir wollen mit Einsparungen im sächsischen Landeshaushalt die Voraussetzungen für eine große Steuerreform schaffen – ohne, dass sich Sachsen dafür neu verschulden muss. Für uns besitzt die Entlastung der berufstätigen Mitte und eine grundlegende Steuervereinfachung für alle Bürger höchste Priorität.

Die sächsische Wirtschaftsförderung wird auf Investitionen und Innovationen konzentriert. Dabei gilt der Grundsatz: Nur wo Unternehmen bereit sind, Geld zu investieren, wird sie der Staat ergänzend unterstützen. Wir fördern nicht mehr gegen den Markt, sondern mit ihm. Förderung für Unternehmen ist für uns Hilfe zur Selbsthilfe – jedoch keine Einladung zur Dauersubventionierung.

Familien stärken und qualifizierte Zuwanderung erleichtern

Die zurückgehende Bevölkerung und das steigende Durchschnittsalter stellen Sachsen vor eine besondere Herausforderung – finanziell und ideell. Mit jedem Einwohnerverlust verliert Sachsen auch Einnahmen. Hinzu kommt: Alternde Gesellschaften sind weniger flexibel und innovationsfähig. Deshalb brauchen wir ein klares Bekenntnis zu einer kinderfreundlichen Gesellschaft und zur Zuwanderung motivierter Fachkräfte.

Höchste Priorität besitzt für uns ein bedarfsgerechtes und flexibles Betreuungsangebot für Kleinkinder. Gerade junge Eltern und Alleinerziehende müssen Kinder und Beruf besser vereinbaren können. Wir wollen daher mittelfristig in zehn Prozent aller Kitas Öffnungszeiten über 18 Uhr ermöglichen. Zudem wollen wir finanzielle Fehlanreize beseitigen, welche die Aufnahme einer Arbeit von jungen Eltern behindern.

Sachsen muss ein offenes Bundesland sein und die Zuwanderung fördern. Wir wollen um alle Bürger im In- und Ausland werben, die in Sachsen ihre neue Heimat sehen und leistungsbereit sind. Über unsere Hochschulen und Unternehmen wollen wir beste Bedingungen bieten, dass junge Menschen den Weg in den Freistaat finden. Zuwanderung darf nicht in die Sozialsysteme erfolgen, sondern muss Sachsen wirtschaftlich stärken. Wir begrüßen daher die europaweite Arbeitnehmerfreizügigkeit ab dem Jahr 2011.